Die Medien sind keine Hüter von Informationen mehr und werden das nie wieder sein. a i l o t o f d l i B © Siehe Flüchtlingsdebatte, Lügenpresse- vorwürfe, Kölner Silvesternacht und Pe- gida-Demos. Hier kommen die lang und breit diskutierten Echokammern und Fil- terblasen ins Spiel. Wer immer nur hört und sieht, was er selbst schon glaubt, der hört und sieht die anderen möglichen Meinungen nicht, will das am Ende auch nicht mehr und glaubt, immer im Recht zu sein. In sozialen Netzwerken ist das nicht anders als in anderen Gruppen, in denen sich Menschen nach Interessen organisieren, nur ist hier die Menge an Echos schneller, lauter und deutlicher. Willkommen im globalen gallischen Dorf, das sich mit seiner Meinung von anderen Meinungen umzingelt sieht und sich per- manent verteidigt. Trump ist nicht die Wurzel des Problems Aber es braucht eigentlich keine tech- nischen Raffinessen und keine sozialen Studien mehr, wenn einer der obersten Realitätsverweigerer und -verdreher ver- gangenen November zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Nein, Donald Trump ist nicht die Wurzel des Problems. Nur die bisher schillernds- te Blüte eines Gewächses, das Unwahr- heiten als Wahrheit, Fakten als Fiktionen und Erfindungen als Tatsachen verbrei- tet. Wir leben tatsächlich in einem post- faktischen, ironisierten Zeitalter, in dem alte Gewissheiten nicht mehr gelten und alles immer das Gegenteil von dem sein kann, was gerade gesagt wird (oder eben auch nicht). Keine Hüter von Informationen mehr Was heißt das alles für uns? Wir Medi- en sind keine Hüter von Informationen mehr und werden das nie wieder sein. Diesen Anspruch müssen wir aufgeben – und das Jammern über diesen Verlust bitte endlich auch. Unsere Aufgabe hat sich gewandelt – am Ende aber hin zu dem, was immer schon unser Job war: Wir müssen überprüfen, was wir gehört, gesehen und gelesen haben. Wir müssen nachfragen. Wir müssen übersetzen in eine Sprache, die frei ist von Unklarheit, die Vertuschungsversuche aufdeckt. Wir müssen akzeptieren, dass irgendwie al- les immer irgendwo verfügbar ist. Aber weil die Menschen nur eine begrenzte Zeit haben, diese Informationen auf- zunehmen, müssen wir ihnen bessere Angebote machen. Den Wettbewerb um die meisten Nachrichten in der kürzes- ten Zeit können wir nicht gewinnen. Den um Schnelligkeit nur bedingt, weil der alte Spruch »Get it first, but first get it right« in unserem ureigensten Interes- se ein Mantra sein muss. Schnell ja, aber vor allem richtig muss es sein. Damit wir glaubwürdig bleiben. Wir brauchen mehr Demut vor unseren Lesern, die vor allem Kunden sind. Sie bezahlen unsere Arbeit. Oh- ne Geld gibt es keinen unabhängigen Journalismus. Deswegen müssen wir identifizieren, was unseren Lesern und Nutzern wichtig genug ist, um dafür auch zu zahlen. Es sind die lange ge- scholtenen sozialen Netze, die uns da- bei helfen, wenn wir sie endlich nicht mehr als Feinde ansehen (was noch viel zu oft passiert). Und dann geht es dar- um, die Themen so aufzubereiten, dass alle relevanten Fragen beantwortet wer- den. Dass die Texte aufzeigen, was wahr und was falsch ist, wer wo gelogen hat oder wo die Probleme wirklich verbor- gen sind. Wir müssen glaubwürdig sein, offen zu unseren Fehlern stehen, denn auch in Redaktionen arbeiten nur Men- schen. Wir müssen Orientierung bieten in einer Welt, die unüberschaubar ge- worden ist für viele Menschen. Es muss einen Grund geben, unsere Produkte am Kiosk zu kaufen – ganz egal, ob dieser Kiosk am Bahnhof steht oder im virtu- ellen Raum. Wir müssen unseren Job machen. Krise war immer. Die Chance, daraus zu wach- sen, allerdings auch. 8